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Forum "Zivilgesellschaft"

Diese Seiten bieten einen Raum für Anregungen, Informationen und Austausch zu neuen Themen und Initiativen der globalen Zivilgesellschaft.

Zivilgesellschaft, TransitionTown-Initiativen, Empowerment

Paul Hawken hat in seinem Buch "Wir sind der Wandel - Warum die Rettung der Erde bereits voll im Gang ist und kaum einer es bemerkt", beschrieben, dass es mittlerweile eine globale Bewegung von Basis-Initiativen gibt, die nicht mehr nur in die Hunderte oder Tausende gehen, sondern die eine große globale Bewegung geworden sind, die wir als Zivilgesellschaft (ZG) bezeichnen können.
Erst seit den 90er Jahren ist dies im öffentlichen Diskurs als Begriff (civil society, engl.) bekannt geworden. Oft haben wir davon eine eher vage, pauschale Vorstellung z.B., dass nur NGO´s (Non Governmental Organisations) wie Greenpeace oder Amnesty Int., dazu gehören, vielleicht denkt man auch an kleine Bürgerinitiativen. Hawken belegt in seinem Buch, dass es mittlerweile weltweit eine große Fülle von anderen "Civil Society" – Initiativen gibt, von kleiner, größerer und richtig großer Art, die wir allesamt als globale ZG bezeichnen können. Die globale ZG – könnten wir sagen - ist so etwas wie das Immunsystem unseres "kranken Planeten" und dies gilt es heute in der Tiefe zu verstehen.
Einer der Pioniere und Vordenker dieser Bewegung ist Nicanor Perlas, ein Philippine, Biobauer, Philosoph, Aktivist und Autor, der für seine Arbeit mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Ihm gelang es Ende der 90er Jahre etwa 5000 NGO´s zusammenzubringen - in einer Situation, wo es so aussah, dass sich der neoliberale deregulierte Konsumkapitalismus amerikanischer Prägung im Südraum durchsetzen würde. Diese 5000 Initiativen verbündeten sich mit der Regierung und konnten tatsächlich dieses neoliberale zerstörerische Projekt stoppen.
Das war ein historisches Ereignis, wo es dieser gesamten vernetzten "grassroot"-Bewegung gelang, eine konsumkapitalistische Expansions-Bewegung zu stoppen und zu sagen: Wir als ZG haben eine andere Vorstellung von Entwicklung. N. Perlas als das Sprachrohr dieser Bewegung sagte dazu folgendes: "Die globale Kraft in dieser neuen Form als wichtigste soziale Neuerung des letzten Jahrhunderts ist die ZG. Im letzten Drittel des 20 Jahrhunderts haben Millionen von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund direkt die Form von Missbrauch, Ausbeutung und Zerstörung der Erde erfahren. Jetzt aktivieren sie sich mit ihren Mitmenschen, etwas gegen diesen Zerfallsprozess zu tun und engagieren sich positiv in Initiativen und Unterstützungsaktionen und gründen Gruppen außerhalb des politischen Staates und des wirtschaftlichen Marktes, um auf lokaler und regionaler Ebene dem Missbrauch entgegen zu wirken". Alle diese Organisationen zu der jetzt auch die weltweit aktive Transition-Town-Bewegung zählt, sind selbstverwaltet, "bottom up", oft auch global vernetzt. Sie werden von keiner externen globalen Macht gesteuert. Sie engagieren sich mit Hilfe globaler Netzwerkaktivitäten. In dieser Vernetzung ihrer kultureller Anliegen arbeiten sie zusammen, um Themen auch auf globaler Ebene geltend zu machen. Der Begriff des "Geltendmachens" ist da ganz wichtig. Dies ist keine Bewegung, die sich nur lokal versteht, sondern die jetzt auf globaler Ebene ihre Vorstellungen geltend macht und durchzusetzen versucht. Als Stimme einer Bewegung, die in die Millionen geht.
Hier noch kurz eine Dimension des ZG: Eine der Institutionen der ZG ist das in den 90ern in Brasilien (In Porto Alegre, 2001) gegründete Weltsozialforum (WSF). Es hat sich in einer unglaublich interessanten dynamischen Form entwickelt. Es fing an mit einer Initiative von Aktivisten in Brasilien (auch Befreiungstheologen, wie der alternative Nobelpreisträger Chico Whitaker gehörten als Initiatoren dazu), die sagten: Wir brauchen einen neuen Ansatz von Handeln für die Welt, die Erde, die Menschen- jenseits von politischen Ritualen und staatlichen Absichtserklärungen. Und dazu braucht es auch neue Bewusstseinstechnologien und eine neue Dialog-Kultur. Das Credo des WSF´s lautete deshalb: "Eine neue Welt ist möglich". Das radikal Neue daran ist also: Diese Weltsicht ist nicht mehr primär mehr gegen etwas gerichtet, sondern versteht sich als reale gesellschaftliche Kraft für die Schaffung einer neuen demokratischen freien und gerechten Gesellschaft, jenseits von Kapitalismus und Kommunismus.
Perlas bezeichnet die ZG als "dritte Kraft" neben Wirtschaft und Staat. Er sagt dazu: "Die globale ZG fordert eine Beteiligung an der Gestaltung der Globalisierung ein... Sie will sie nicht durch Revolution von oben gewaltsam herbeiführen, sondern indem sie ihre stärkste Kraft einsetzt... und dies ist die Inspiration und Kraft aus dem Bereich der Kultur". Dies ist für Perlas die Hauptdomäne der globalen ZG.
Wenn wir diese Erkenntnis jetzt anwenden auf so eine große globale Kraft wie das WSF, dann erstaunt es wohl kaum, dass sie seit ihrem Beginn von 20 000 Teilnehmern auf 60 000,100 000 bis hin zu 160 000 Teilnehmern gewachsen ist! Dazu gehören nicht nur Kirchenleute, Umweltschützer und Intellektuelle sondern auch Bauern, Fischer, Arbeiter, Indios und Unberührbare. (siehe dazu v. Lübke in Oya 07, 2011)
Das WSF versteht sich als ein öffentliches Forum, das sich als "Bewusstseins-Raum" begreift und sich nicht mehr als soziale Bewegung definiert hat.
Das WSF ist dezentral und selbststeuernd organisiert. Es operiert nicht hierarchisch, sondern wendet offene, transparente Methoden an, wie z.B. Open Space und World-Cafe Strukturen – und es funktioniert!! Daraus hat sich eine Vielfalt von unterschiedlichen Projekten weltweit entwickelt. Von Brasilien über Afrika bis nach Australien und Indien. Wichtig ist, dass die ZG auch Kultur und Nationen übergreifend gemeinsame Werte vertritt. Dazu gehören: Care for People, care for the earth, fair share und auch ein Respekt für kulturelle Vielfalt, Schutz der indigenen Traditionen, Schutz von Sprachenvielfalt und das Grundrecht auf Nahrung, Wasser, Boden, Luft, eingebettet in die Entwicklung von resilienten Gemeinschaften, Regionen und Nationen.

Mir scheint es - und hier folge ich der Sicht von Perlas, dass zwei wichtige Aufgaben sich der modernen ZG stellen. 1.Es gilt zu unterscheiden zwischen Wirtschaft, Staat und ZG. Und ihren jeweiligen zentralen "Kernanliegen".(Gemeinwohl, Freiheitsrechte, Kultur)
2. Die Umgestaltung der Globalisierung von einer zerstörerischen Macht mit Hilfe von Verbündeten in Richtung Nachhaltigkeit voranzutreiben, so, dass alle relevanten Bereiche des Lebens davon berührt sind und umgewandelt werden können. Es ist nun ganz zentral zu verstehen, dass die ZG sich in ihrer Identität erkennt! Diese Identität drückt sich vor allem in der Domäne der Kultur aus. Dazu gehört auch Ethik und grundlegende menschliche Werte, wie z.B. Dialogfähigkeit, Authentizität, gewaltlose Kommunikation, Transparenz, Mitgefühl, Gemeinschaftssinn, gegenseitige Toleranz, Herzenskultur und die Fähigkeit, Visionen und Handlungs-modelle zu entwickeln für den Schutz des Lebendigen. Das hat eine für mich ermutigende, geradezu kulturrevolutionäre Seite, denn hier drückt sich eine entstehende globale "Wertegemeinschaft" aus, die auch kultur- und sprachübergreifend ist und welche die Netzwerke der ZG tiefer und umfassender verbinden könnte. Eine Vernetzung der Netzwerke wäre der nächste Schritt!
Diese Kulturkraft kann dann auch neue Impulse in die anderen Bereiche selbstbewusst hineintragen. Damit können wirtschaftliche Akteure (z.B. werte-orientierte Unternehmen) und Verbündete in der Politik Partner werden für die Belange der Menschen und des Gemeinwohls. Es ist faszinierend und ermutigend, das wir diese Perspektive auch in der jungen, globalen Transition-Town-Bewegung antreffen. Hier finden wir ein tiefes, nicht dogmatisches Verstehen von der Bedeutung von Resilienz in Zeiten von globaler Krise. Und hier entdecken wir auch neue kulturelle Ideen, Wissen über Nachhaltigkeit in Wirtschaft, Bildung, Erziehung und Kunst, sowie neue Symbole und die Kunst, alte Erzählungen ("Story telling") und auch Elemente nicht dogmatischer Spiritualität, (wie die Herz und Seele Gruppe in einer TransitionTown-Initiative) mit einzubeziehen.
In den 90er Jahren war einer der Slogans der erwachenden ZG., die Aufforderung den öffentlichen Raum wiederzuerobern ("Reclaim the streets!"). Nun scheint die gerade entstehende Occupy-Bewegung, wie eine Fortsetzung dieses kollektiven Stroms, genau anzuknüpfen. Wie auch immer diese Bewegung sich entwickelt, mag offen sein- in ihr drückt sich für mich ein kollektives "Empowerment" aus und es wird spürbar, dass jede einzelne Immunzelle (der ZG) ein Teil von einem entstehenden großen Immunsystem ist.
So verstanden ist es von besonderer Bedeutung für die ZG, dass auf denjenigen "Grassroot-Bewegungen", die verstehen, dass jetzt eine Vernetzung von Netzwerken ansteht, eine besondere Verantwortung zukommt. Diese Netzwerke, die sich für einen Wandel einsetzen, der im Inneren des Menschen beginnt und das Äußere einbezieht, haben eine doppelte Aufgabe. Nämlich einmal an dieser inneren persönlichen Entwicklung dranzubleiben. Warum? Weil wir alle unsere Schwächen haben, und weil wir an unseren Schwächen arbeiten und darin das Entwicklungspotenzial entfalten können, das alle Talente, Fähigkeiten mit einbezieht. Und dies dann als Kraftquelle, das in das Handeln einfließen kann. Ein "empowerment", das innen und aussen gleichermassen mit einbezieht!
Nehmen wir als Beispiel noch einmal die Transition-Town-Bewegung: Jede Initiative gestaltet sich selbst ausgehend von den Bedingungen und Potentialen vor Ort und indem sie sich gestaltet und vernetzt entsteht eine größere Kraft- einer Netzwerkkraft, die wiederum Teil ist einer globalen Kraft und diese vertieft und weitet sich ständig neu als selbstorganisierendes System.
"Werde zum Wandel" ist die Botschaft des Buches von Hawken. Diese Einladung ist wie ein Weckruf, der die vielen tausendfachen Initiativen der ZG durchzieht und uns ahnen lässt, dass Vielfalt und Einheit darin Hand in Hand gehen können. Und – das Menschen millionenfach mit Kopf, Herz und Händen an dem "Great-Turning" von dem Joana Macy spricht, bereits schon weltweit vernetzt wirken. Wenn sich Menschen und Akteure in diesem Verständnis weiter verankern und ermutigen, kann dies nicht nur Kraftpotenziale freisetzen, sondern auch ein guter Grund sein, sich darüber zu freuen, es zu würdigen und zu feiern.


Michael Plesse: Politologe, Mit-Initiator und langjähriger Geschäftsführer des Ausbildungsnetzes Orgoville, Mitbegründer der Orgodynamik-Methode sowie von Essencia, Ausbildungsleiter, Therapeut und Berater, Mitbegründer eines ökologischen Nachbarschaftsprojektes. Als Referent und Begleiter von kultur-kreativen Initiativen ist er auch in zivilgesellschaftlichen Feldern tätig, u.a. auf Kongressen, Konferenzen und Netzwerk-Initiativen. Initiator der Stadt im Wandel – Transition-Town-Kassel

INTERNET: www.orgoville.de, www.inozi.net, www.ttkassel.de, www.transition-initiativen.de, www.transitionculture.org LITERATUR: Nicanor Perlas Die Globalisierung gestalten" info3,2000; Rob Hopkins "Das Energiewende-Handbuch" 2008; Chico Whitaker "Das Weltsozialforum", Vsa, 2007; Paul Hawken "Wir sind der Wandel" 2010

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